„Schade: Gern hätten wir vegane Aufschnitte empfohlen, doch die Liste der Mängel ist leider lang,“ resümierte diese Woche das Verbrauchermagazin Öko-Test. Verunreinigungen mit Mineralöl, umstrittene Zusatzstoffe, zu viel Salz und das aus Rotalgen gewonnene Verdickungsmittel Carrageen, das im Verdacht steht, Entzündungen im Darm auszulösen, „vermiesen die Testergebnisse.“ Bei denen es um die Wurst ging: um vegane, von Alnatura Aufschnitt nach Salami Art aus Seitan über Edeka My Veggie nach Art Lyoner und Rewe Beste Wahl, Typ Paprika-Lyoner bis Wheatys Wurstaufschnitt aus Weizeneiweiß und Wasser. 12 der 18 Wurschtigkeiten, so meldete das Öko-Test-Sonderheft zum Thema „Warum Pflanzliche Superkraft so gut für uns und den Planeten ist“, waren im Gesamturteil mangelhaft oder ungenügend.

Das Blatt bedauert diese Enttäuschung, denn „im Vergleich mit ‚echter‘ Salami und Mortadella können vegane Wurstersatzprodukte fast nur gewinnen. Kein Tier hat dafür gelitten oder Antibiotika gefressen, die Produktion hat weitaus weniger klimaschädliche Gase freigesetzt, Menschen senken mit dem Verzicht auf rotes Fleisch und Nitritpökelsalz ihr Krebsrisiko – die Liste der Vorteile ließe sich noch fortführen.“ In dieses Lob für fleischlosen Aufschnitt, veganen Lachs oder planted Chicken stimmt auch die Neue Zürcher Zeitung ein, aber nur kurz: „Der vegane Ernährungsstil gewinnt aus Klimagründen an Popularität, gleichzeitig hängt ihm auch das Image des besonders Gesunden an. Dies hingegen stimmt nur, wenn frisch gekocht wird. Vegane Ersatzprodukte wie Erbsen-Schnitzel oder Soja-Würste müssen wie alle Fertigprodukte mit vielen Zusatzmitteln, Konservierungsstoffen und Aromen versehen werden. Vor allem aber müssen die Zutaten stark verarbeitet werden, um am Ende dem tierischen Produkt ähnlich zu sein. Deshalb zählen sie in die Kategorie der ultraverarbeiteten Produkte.“

Dazu zitiert die NZZ den Berner Präventivmediziner und Gesundheitswissenschaftler Dr. David Fäh: „Kauft man im Supermarkt eine Pouletbrust, so ist diese, außer vielleicht zugeschnitten, nicht weiter verarbeitet, und der einzige notwendige Zubereitungsschritt zu Hause in der Küche bis zum fertigen Gericht ist die Erhitzung. Wird hingegen ein pflanzliches Ersatzprodukt zu Poulet hergestellt, benötigt es von den rohen Erbsen oder dem Soja bis zum geflügelähnlichen Endprodukt auf dem Teller sehr viele Verarbeitungsschritte. In diesem Prozess geht die Qualität der einzelnen Zutaten zur Versorgung des Körpers verloren. Deshalb sind Ersatzprodukte aus ernährungsphysiologischer Sicht in vielen Belangen minderwertig im Vergleich zum Original.“

Noch Schlimmeres diagnostizierten internationale wissenschaftliche Studien:
• Seit Jahren weiß man u.a., dass von Testpersonen, die 2 Wochen lang die gleiche Menge an Nährstoffen, Kalorien, Energiedichte, Zucker, Salz und Ballaststoffen in ultraverarbeiteten oder unbearbeiteten Lebensmitteln aßen, die Mitglieder der ersten Gruppe danach fast 1 kg mehr, die anderen 1 kg weniger wogen – weil die verarbeitete Nahrung der Verdauung weniger Arbeit macht und schlechter sättigt.
• Die jüngste Expertise, vorgestellt auf der diesjährigen internationalen Konferenz der Alzheimer‘s Association in San Diego, ergab bei einer Untersuchungsreihe von über 10.000 Brasilianern bis zu 10 Jahre lang (Durchschnittsalter 51 Jahre; die Hälfte Frauen, Weiße oder Hochschulabsolventen) durch die Medizinische Fakultät der Universität von São Paulo: „Menschen, die mehr als 20 % der täglichen Kalorien aus verarbeiteten Lebensmitteln zu sich nahmen, hatten einen um 28 % schnelleren Rückgang der allgemeinen Kognition und einen um 25 % schnelleren Rückgang der exekutiven Funktionen im Vergleich zu Menschen, die weniger als 20 % zu sich nahmen.“ In Deutschland kommen, nicht nur wegen des Veganen, die Frauen auf eine ultrahochverarbeitete Tagesquote von 39 % und die Männer auf 38 %; im restlichen Europa schwankt sie zwischen 14 und 44 %; am niedrigsten ist sie in Italien, Rumänien and Ungarn, noch höher als hierzulande in Großbritannien und Schweden.

Wer beim Einkauf den Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln beachten möchte, könnte sich an der Nova-Skala orientieren, die 2017 der international (WHO, USA) erfahrene Mediziner und Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Carlos Augusto Monteiro von der Uni São Paulo vorschlug: 1= unverarbeitete Lebensmitteln (wie Gemüse oder Früchte), 2 = leicht verarbeitet (wie pasteurisierte Kuhmilch oder Pasta), 3 = stärker verarbeitet ( wie Käse und Dosen-Thunfisch), 4 = stark verarbeite Produkte (wie Kartoffelchips, Softgetränke und Konserven-Gerichte). Doch die Lebensmittelindustrie druckt lieber den ihr genehmeren, farbenfrohen Nutri-Score der EU auf ihre Verpackungen. Dessen Grün, das wohl uneingeschränkt empfehlenswert suggerieren soll, und Gelb ist sogar „hochverarbeiteten Produkten wie Aufback-Pizza erlaubt, weil sie vielleicht etwas mehr Gemüse oder Nahrungsfasern enthalten als andere Fertigpizze“, wie der rechtschaffene Schweizer Dr. Fäh beklagt.

Foto: Rewe