Wer bei Pilzen nur an den Wohlgeschmack von Trüffeln, Ovoli oder Krause Glucke denkt, unterschätzt ihre Werte und Wirkung. Denn sie haben laut Informatik-Professor Andrew Adamatzky von der Universität Bristol die Fähigkeit zur Kommunikation, sind als nachwachsender Rohstoff nachhaltig und im Gegensatz zu Plastik biologisch abbaubar und könnten in der Vorstellung der Biotechnologin Vera Meyer, Professorin an der TU Berlin, bis Ende dieses Jahrzehnts beispielsweise die Bio-Innenausstattung für Autos liefern. Nur eines können sie nicht: die Menschheit so ausrotten, wie es die Serie „The Last of Us“ des US-TV-Programmanbieters HBO (u. a. „Die Sopranos“, „Sex and the City“, „Game of Thrones“) zeigt, hierzulande derzeit beim Sky-Streamingdienst Wow und ab März auf Sky Atlantic zu sehen.

In den USA mussten seit Beginn der postapokalyptischen Serie am 15. Januar Mykologen, Pilzbiologen und andere Experten der Pilzwelt immer wieder öffentlich versichern, dass der parasitäre Ophiocordyceps-Pilz nur Insekten, aber keine Menschen zombifizieren kann. Die erste Folge der Serie suggeriert: Mit dem Pilz kontaminierte Mehl- und Zuckerlieferungen aus Indonesien befallen weltweit während eines langen Wochenendes zu schnell und zu effizient für einen Rückruf die Menschheit. Die Angesteckten werden Zombies, die ihre Mitmenschen beißen und infizieren. Nur wenige konnten sich in die eilends errichteten Quarantänezonen retten – und harren unter knallharten, alle Coviderinnerungen übertreffenden Maßnahmen den weiteren Serienerfolgen entgegen. Auslöser für die Pilz-Katastrophe war, na klar, die Klimaerwärmung.

Seit Beginn der Serie wundern sich Mykologen, wie tief die Angst derer sitzt, die bei Pilzen nicht an die im großen Larousse gastronomique abgebildeten 25 Fruchtkörper von Austernseitling über Morchel bis Zuchtchampignon sowie an Trüffelrisotto oder wenigstens Waldpilzpfanne denken. Denn außerhalb der Küche tauchen Pilze nicht genussverheißend, proteinreich und kalorienarm auf, sondern negativ bis bedrohlich. Sie signalisieren den Tod, gedeihen in feuchter, dunkler Fäulnis, blühen in Zersetzung. Dass sie auch Öle im Salzwasser abbauen, Strahlung absorbieren und Giftstoffe aus dem Boden entfernen, wird in der Werbung weniger gepriesen als ihre aus der chinesischen und anderer asiatischer Medizin in die westliche Welt übernommene Hoffnung, dass sie zufriedener stimmen, Haut gesünder aussehen lassen oder Konzentration fördern. Aber so uralt wie als Nahrungsmittel und Partydroge sind sie eben auch als Angstmacher. Sie sind so mächtig, fast 40 % der Bio-Masse auf Erden auszumachen, und so mysteriös, dass sie kaum jemanden kalt lassen.

Foto: WDR