Ob die Sandwiches nun Regenbogen (wegen der bunten Gemüse), Hippie, Avocado oder Kalifornien betitelt sind, ob sie traditionell, vegetarisch oder vegan sind, eines ist zwischen den Brotscheiben in Los Angeles immer dabei: Sprossen der Alfafa, wie hier die futterpflanzige deutsche Luzerne ungleich appetitlicher heißt und klingt. Und es ist fast immer „eine große Masse Sprossen, die sanft zu einem knusprigen, saftigen, intensiv grün schmeckenden Kissen aus zarter Zahnseide gepresst werden,“ wie Restauranttesterin Tejal Rao in der New York Times staunte.

Derzeitiger Star unter den Sandwiches scheint das Ira Glas (siehe Foto), einer der drei Renner bei Wax Paper, das seine belegten Brote nach populären Medienleuten benennt. Der Fan-Favorit bietet zwischen zwei Scheiben des Sauerteig-Weizenbrots der Kultbäckerei Bub and Grandma’s eine halbe Avocado, Meersalz, eingelegte und rohe rote Zwiebeln, scharfen Tillamook-Cheddar, ein Kissen aus Alfalfa-Sprossen, Gurke und Aïoli – gewiss dem Titel der Glas-Sendung „This American Life“ gerecht werdend, auch wenn die aus Chikago kommt.

Im Prinzip erinnern die Sandwiches an das Reformhaus-Angebot und die Health-Food-Trends vor 50 Jahren und die Sprossen sind auch keine Neuheit, litten aber lange unter Vorurteilen. 1953 warnte die Vollkorn-bewusste El Molino im kalifornischen Alhambra in einem ihrer auch Sandwichs mit Alfalfa bietenden Werbe-Kochbücher: „Es kann ein wenig dauern, bis man lernt, den einzigartigen Geschmack voll und ganz zu schätzen.“ Und bis in die 1970er Jahre aß man nur in Südkalifornien rohe Alfalfa-Sprossen. Landesweit populär wurden sie während der Hippie-Ära, die vielleicht Geschmack daran fand, weil das Grünzeug (wie der Gastrojournalist Jonathan Kauffman 2018 in seinem Buch „Hippie Food“ schrieb) so riecht, „als ob ein Grasfeld Sex hätte“.

Heute „machen die Sprossen das Sandwich,“ sagt Wax Paper-Küchenchef Peter Lemos über die Produkte seiner beiden Läden und seiner kreativen Konkurrenten. Sie ließen die besten Brote im selben Geist und Engagement komplex und originell werden wie ihre Kollegen an den Herden die moderne Küche. Und die einst von El Molino rezeptierte maximal ¼ Zoll hohe Sprossen-Einlage (6mm) kümmert niemanden mehr. Alte Vorurteile gegen die Sprossen wichen zeitgeistigen Assoziationen von blühend und saftig, duftend und grün – und auch noch gesund und kalorienarm.

Foto: Wax Paper in Los Angeles/Isabelle Ahadzadeh