Covid-19 gefährdet nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch das Arbeitsklima der US-Gastronomie: Im Service beklagen 83% einen Rückgang des Trinkgelds, 41% eine Zunahme der sexuellen Anspielungen bis hin zur Belästigung. 66% geben an, dass ihre Trinkgelder um mindestens 50% sanken. Das ergab eine Befragung von 1675 Kellnerinnen und Kellnern in New York, Washington und 4 weiteren US-Bundesstaaten (die unter obigem Abbild veröffentlicht wurde).
Solche Zahlen erschrecken abseits des american way of life noch mehr als im US-Trott. Denn sexuelle Diskriminierung – von anzüglichen Bemerkungen bis gewaltsamer Nötigung – gibt es, seit zu Beginn des 20. Jahrhunderts Frauen anfingen, in der Restaurantbranche zu arbeiten, die gemeinhin als „locker“ galt. „Kellnerinnen sahen Belästigungen als Teil des Jobs an“, berichtete beispielsweise im Januar 2018 die Harvard Business Review, „und beschwerten sich selten bei ihren Managern. Viele gaben an, dass sie sich aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen nicht beschwert oder die Belästigung nicht gemeldet hätten. Je mehr sexuelle Belästigung sie erlebten, desto mehr berichteten sie von Angst vor Vergeltungsmaßnahmen.“
Im Oktober 2018 spezifizierte das US-Institut zur Bekämpfung von Armut und Ungleichheit, dass 90% der Kellnerinnen und 46% der Kellner sexuelle Belästigung erlebt hätten – nicht nur von Gästen, sondern auch von Kollegen und Vorgesetzten. Rund 60% der Diskriminierungen hätten sie ignoriert, 10% im Hinblick auf unliebsame Folgen hingenommen. Weitergemeldet an die Geschäftsleitung hätten sie 13% der Vorkommnisse mit Vorgesetzten, 19% der mit Kollegen und 33% der mit Gästen.
In der aktuellen Umfrage zum Krisenverhalten in der Corona-gebeutelten Gastronomie gaben 67% des Service an, dass Gäste ihren Tip erkennbar kürzten, wenn sie auf die Maskenpflicht und die Mindestabstände hingewiesen wurden. Die Bedienungen klagten aber auch über die Arbeitgeber: 37% monierten, dass in ihrem Lokal die vorgeschriebene Schulung zur Covid-Sicherheit unterblieben wäre, und 69% beschwerten sich, dass Verstöße durch Gäste nicht konsequent verfolgt worden wären. Folgenschwer kam zu dieser laxen Haltung der Gastronomie hinzu, dass laut einer Untersuchung des GDC, die dem Robert Koch-Institut in Deutschland vergleichbar ist, in den USA mit COVID-19 infizierte Erwachsene doppelt so häufig wie virusfreie in einem Restaurant gegessen haben. Auch daraus folgte, dass 44% des befragten Service angab: Von den Kollegen sei mindestens einer erkrankt.
Nach Bekanntwerden der aktuellen Zahlen empörte sich die Präsidentin des gewerkschaftsartigen One Fair Wage (der jene US-Arbeitnehmer unterstützt, für die Trinkgelder als Lohnersatz gelten), Prof. Dr. jur Saru Jayaraman an der Uni Berkeley: „Wir waren schockiert, wie schrecklich die Situation wirklich ist.“

Illustration: One Fair Wage