Aus der Videoüberwachung der Place des Maréchaux in der Provence-Pretiose Carpentras gewann die Polizei letzten Samstag den Eindruck, dass im „Le Petit Serge“ Gäste zu Mittag essen. Die losgeschickte Streife staunte, wen sie unter den verdächtigen Verletzern des Lockdowns traf: den Polizeichef höchstselbst, einen Vize-Staatsanwalt und zwei Kollegen. Sie alle bestritten ein Mittagessen, Gastronom Serge Ghoukassian sprang ihnen bei. Er habe sein Bistro (das 100 m vom Stammhaus „Chez Serge“ entfernt ist) zum Lebensmittelgeschäft umgerüstet und seine „click and collect“-Gästeschar habe bei Abholung der bestellten Produkte gewartet.

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin reagierte wütend: Stimmen die Polizeiaussagen, die derzeit von der Justiz in Nîmes untersucht werden, soll der Polizeichef von Carpentras „suspendiert und von seinem Kommandoposten entfernt werden“. Der Minister, den allein am letzten Samstag 6000 bereits geahndete Verstöße nervten, erklärte pathetisch: „Die Franzosen müssen die Ausgangssperre und die Restaurantschließung respektieren, und für Beamte besteht die Pflicht, ein Beispiel zu geben. Um respektiert zu werden, muss man respektabel sein.“

Das missachteten am Mittag zuvor auch Pariser Richter, die von einer Fahrradstreife im Restaurant „L’Annex“ auf der Île de la Cité angetroffen wurden: Wie die übrigen Gäste hatten sie Flûtes mit Champagner und Teller voller Essen oder mit Resten vor sich – Rindertatar, mixed Omelett, Steak vom Aubrac mit Pommes. 10 Menschen auf 15 m², keiner mit Maske. Die Polizei störte sich nicht weiter an insistierenden Richter-Fragen wie nach dem Rechtsrahmen des Einsatzes – und kassierte gnädige 135 € Strafe pro Gast.

Dass die Freude am verbotenen Restaurantessen selbst bei Richtern die Angst vor Strafe überwiegt, macht Behauptungen in der französischen Presse glaubhaft, dass es im Lande „Tausende illegaler Restaurants“ fürs Mittagessen gebe – ein Code gewährt Einlass, oft durch die Hintertür. Letzten Donnerstag und Freitag sanktionierte allein die Pariser Polizeipräfektur 24 Lokale.

Foto: Chez Serge, Carpentras