Das Ambiente signalisiert Alarmstimmung. Der vordere Raum ist vom Boden bis zur Decke im Gelb der US-Schulbusse gestrichen, an der Wand ein riesiger gemalter Leopardenkopf im Tattoostil, das hintere Esszimmer tiefgrün mit einem Krakenmonster. Auf den Tischen des im Frühjahr eröffneten Lokals wird gutbürgerliches Geschirr tunlichst vermieden. Diese Ästhetik mit dem Aplomp einer aufgemotzten Drag Queen ist der neueste Versuch, auf die Lebensmittelverschwendung aufmerksam zu machen – auf die im Shuggie‘s Trash Pie auch ganz konventionell hingewiesen wird: In der unteren Ecke der Speisekarte stehen ein paar Zeilen darüber, wie Lebensmittelverschwendung zum Klimawandel beiträgt und ein Bereich der globalen Krise ist.

Die beiden Betreiber, die Aktivistin nachhaltiger Landwirtschaft Kayla Abe und der Koch David Murphy, meinen nicht bloß die wegwerfenden Privathaushalte und die mit Ketten gegen Entnahme gesicherten Abfallcontainer des Lebensmittelhandels, sondern vor allem die Verschwendung in großem Stil: Die Milchbauern der größten Molkereigenossenschaft der USA entsorgen jeden Tag fast 14 Millionen Liter unverkaufte Milch; die staatliche Umweltschutzbehörde in Washington (EPA) schätzt, dass die jährlichen Treibhausgasemissionen aus Lebensmittelabfällen in Amerika dem Betrieb von 42 Kohlekraftwerken entsprechen (ohne Berücksichtigung des Methans, das durch die Zersetzung von Lebensmitteln auf Mülldeponien freigesetzt wird); laut einer Studie der Santa Clara University in Kalifornien bleibt ein Drittel der Erträge auf den Feldern zurück, weil entweder die Marktpreise so tief sinken, dass sich die Arbeitskosten für die Ernte und Verpackung nicht lohnen, oder die Landwirte davon ausgehen müssen, dass der Handel Produkte mit Schönheitsfehlern ablehnen wird…

Um gegen diese Form des Trashs anzukämpfen und dem Namen ihres Lokals gerecht zu werden, holen Kayla Abe und David Murphy zweimal in der Woche vom Bauernmarkt allerlei Unverkäufliches ab, welkes Grün, hässliche Pilze, angeditschtes Obst, sonnenverbrannten Kürbis, ganzen Blumenkohl vom Stiel bis zu den vollen Blättern. Aus dem bei der Hafermilchherstellung übrigbleibenden Getreide gibt‘s Teig für die Pizze, auf die Lachsbauch gewürfelt und Sauce aus zerdrückten Tomaten geträufelt wird. Bisher gelingt es der Küche, so geschmackvoll und abwechslungsreich zu bleiben, dass die Gäste wiederkommen. Und der San Francisco Chronicle würdigte weiteren Erfolg: „Shuggies hat das Thema Lebensmittelverschwendung in die Schlagzeilen mehrerer Publikationen gebracht, was in Lifestyle-Medien leider selten vorkommt.“

HELFENDE HÄNDE IN GRELLEM GRÜN

Fotos: Shuggie‘s Trash Pie