Die Freude am Genuss und am Reisen erkannte vor einem Jahrhundert ein internationaler Freundeskreis als Geschäftsgrundlage für ein neues Gewerbe: die gastronomische Presse. Als deren Begründer sahen sich die Franzosen Maurice Edmond Sailland, Louis Forest und Austin de Croze, der Schweizer Marcel Rouff und der Belgier Maurice des Ombiaux, allesamt literarisch ambitionierte Journalisten in Paris, die sich gleich nach Ende des Ersten Weltkriegs „die heilige Allianz der Gastronomie mit dem Tourismus“ ausdachten. Sie inspirierten den Reifenfabrikanten Michelin, 1923 in seinem französischen Autowerkstättenguide erstmals Hotel- und Restaurantempfehlungen zu geben.

Wortführer des kulinarisch interessierten Quintetts war der Schnapsbrennersohn Sailland, der unter dem Pseudonym Curnonsky fortan den Ruf der französischen Küche als bester der Welt so vollmundig artikulierte, dass ihn 3300 Köche des Landes zum „Prince des Gastronomes“ kürten und die Regierung zum Ritter der Ehrenlegion schlug. Zur Beschleunigung des Michelin-Geschäfts verfassten Curnonsky und Rouff 1920 die ersten der insgesamt 28 Bände über die Küche der französischen Regionen („La France gastronomique“). Der Prinz in profaner Marketingrezeptur: „Das Automobil erlaubte es den Franzosen… in ihrer Freude am guten Essen, die sich nach Jahren der Sorgen und Entbehrungen entwickelte… die besondere Küche jeder einzelnen Provinz zu entdecken.“ Zudem konnte er sich berühmen: „Es hat jene Gattung von Menschen geboren, die ich als die Gastronomaden bezeichnet habe.“

Denen bleibt heute allerdings versagt, was Restaurantkritiker Curnonsky in Castelnaudary bei Toulouse erlebte, als er mittags fürs Dîner das weithin gelobte Cassoulet vorbestellte. Die Patronne echauffierte sich: „Ein Cassoulet für heute Abend! Was glauben Sie denn, wo Sie hier sind? In Paris, wo alle Gerichte schon immer fertig auf Sie warten?“ Der Eintopf aus Bohnen und fünferlei Fleisch war erst nach 14 Stunden am nächsten Mittag comme il faut…
(Illustration aus France Soir, 1927)