Der Große Vorsitzende Mao war für seinen Leibkoch Cheng Ruming ein großer Gourmet, der sich 22 Jahre lang am liebsten geschmorten Schweinebauch im Kürbisbett und Fisch nach edler Art der kaiserlichen Mandarin-Hofküche zubereiten ließ. Als dann der Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping, der lange in Paris gelebt hatte, Maos Nachfolger wurde, tat der verbleibende Cheng das, was chinesische Gastronomen in aller Welt höchst geschmeidig können. Er passte sich an und nahm europäische Produkte und Methoden auf, briet beispielsweise Entrecôte.

Von Manhattan bis Melbourne, von Mumbai bis in die entstehende Chinatown im westafrikanischen Dakar verheißen seit einem Jahrhundert gastliche Stätten aller Art die Küche aus dem Land des Lächelns – auch in Europa, wo sich 1909 mit dem Chang Choy’s in London der erste Chinese auf dem Kontinent und 1922 der erste in Deutschland an St. Paulis Schmuckstr. entfaltete. Doch authentische Küche aus China ist außerhalb seiner Landesgrenzen rar wie die Perle in der französischen Auster, denn die ausgewanderten Gastronomen näherten ihre heimischen Rezepturen pragmatisch bis liebedienerisch der neuen Welt an – bis hin zu kreolischen und äthiopischen Eigenheiten. Das schmeckt dann Chinesen wie dem Künstler Ai Weiwei auf Auslandsreisen „wie aus dem Weltall“, ist aber vermutlich mit ein Grund, warum chinesische Gerichte nach den italienischen die meistservierten in der westlichen Welt sind.

Gleichwohl wurde dort keine Gastronomie so hart von der Corona-Pandemie getroffen wie die chinesische. Die Nachfrage sank weltweit um durchschnittlich 33%, am stärksten in Japan (96%). In Berlin beklagten Chinesen gleich nach den ersten Nachrichten, dass sich das Virus von Wuhan ausgebreitet habe, bis zu 50% Umsatzrückgang, in New York bis zu 70%. Das US-Foodmagazin Eater schrieb das Ausmaß der Befürchtungen und Ressentiments vor allem den Falschinformationen über die sozialen Netzwerke zu, als fruchtbarem Nährboden für Ausgrenzung und Rassismus. Doch aus ganz anderen Gründen hatte die chinesische Gastronomie schon zuvor Einbußen. Von 2014 bis 2018 war laut Wirtschaftsmagazin Fortune in den 20 größten US-Städten die Anzahl der chinesischen Lokale um 7% gesunken, weil entweder die Kinder, die traditionell hinter dem Tresen ihre Hausaufgaben machten, erwachsen wurden und das Familienunternehmen nicht übernahmen, oder die Betreiber altmodisches Geschäftsgebaren nicht durch zeitgemäße Usancen ersetzten.

Knüppeldicker als im Rest der Welt kam es für die Corona-gestraften Chinesen in Indien nach einem militärischen Grenzzwischenfall zwischen beiden Ländern mit Todesopfern. Minister Ramdas Athawale forderte: „Alle chinesischen Produkte müssen boykottiert werden. Restaurants, die chinesisches Essen verkaufen, sollten in Indien geschlossen werden.“ Daraufhin wiegelte der Inhaber des betroffenen „Spice of China“ öffentlich und in Mails an Gäste ab: „Wir bieten keine authentische chinesische Küche, sondern indochinesische nach indischem Geschmack. Wir importieren nichts aus China, die Hauptzutaten, die mit Gewürzen wie Kreuzkümmel, Koriandersamen und Kurkuma aromatisiert sind, werden alle in Indien erzeugt. Unsere Köche kommen aus Nepal.“

Den Chinesen außerhalb Indiens macht die New Yorker Schriftstellerin Jennifer 8. Lee (die außer Fantasie auch einen Harvard-Abschluss in Mathematik und Wirtschaftswissenschaften hat) mit zwei Argumenten Mut: „Chinesen stehen immer wieder auf und überleben auch einen Atomkrieg“ und „chinesisches Essen ist amerikanischer als Apple Pie“.

Bleibt abzuwarten, ob und wie sich die aktuelle Aversion auf die chinesischen Exportweltmeister von Kaviar und Trüffel auswirken sowie darauf, dass in der EU zum Beispiel 80 % der in Marmelade und Joghurts verwendeten Erdbeeren und 90 % des Apfelsaftkonzentrates aus China importiert werden. Nicht zu vergessen die Schiffsladungen chinesischer Tomaten, die als hochwertige italienische Tomatensauce in den Handel kommen.