„Von Zeit zu Zeit, aber nicht oft, schickt der Gott der Musik einen Mozart auf die Erde, der des Fußballs einen Messi, der der Küche einen begnadeten Koch. Hier ist einer: Sein Name ist Sébastien Tantot, er ist 30 Jahre alt und hat sich im Herzen des Waldes von Compiègne niedergelassen.“ Das verkündete letzten November der Pariser Figaro und prophezeite: „Er ist mit seiner makellosen Technik, einem inneren Feuer und einer manchmal kühnen Kreativität zweifellos einer der Köche, über die in den kommenden Jahren alle sprechen werden.“

Fürs erste sah Figaro-Autor Stéphane Durand-Souffand im nächsten Michelin „mindestens den zweiten Stern für das Wunderkind“ voraus. Kollege Franck Pinay-Rabaroust vom Pariser Atabula formulierte den Aufwertungswunsch dezenter: „Die Preise entsprechen nicht denen eines Drei-Sterne-Hauses, aber die Produkte und der Anspruch auf dem Teller haben dieses Niveau.“ Doch der im Michelin beließ es im März bei dem einen Stern und einem einfältigen Text: „Der Küchenchef arbeitet gerne mit erstklassigem Fisch, pflanzlichen Zutaten, kräftigen Jus und Olivenöl.“

Daraufhin wütete Pinay-Rabaroust: „Bei dieser bereits wunderbar ausgereiften Küche ist der Michelin nicht vorsichtig, sondern viel schlimmer: Er zeigt sich unfähig, ein seltenes Talent zu belohnen. Eine Geschmacksverirrung, Herr Michelin.“ Der Figaro-Kollege reagierte eleganter. Er schrieb letztes Wochenende eine neue, wiederum lange Eloge auf Tantot, ohne den Michelin eines Wortes zu würdigen, aber drei Sterne zu sehen: „Bei jedem Gottesdienst offenbart Sébastien Tantot seine Seele auf Porzellan. Er ist erst 30 Jahre alt, hat aber die Perfektion und Vision eines ganz Großen. Dazu noch eine Sensibilität, die nur bei einer Handvoll Köchen anzutreffen ist… Er ändert also ein Dressing, wenn ihn das Zwitschern einer Meise gestört hat, er wird einer Sauce ein Gewürz hinzufügen, um ein großes Glück zu feiern, oder wird ein tröstendes Dessert kreieren, um seinen Kummer zu überwinden. Das innere Feuer, das ihn verzehrt und trägt, ist stärker als das seiner Öfen.“

Wenn im Menü „La Langoustine Croustillante, Quintessence Parmentière“ steht, dürfen die Gäste erwarten, dass fast durchsichtige Langoustinen-Chips auf einem als Flügel geformten Schwanz des Krustentiers liegen und dazu eine verblüffend passende Gemüsesauce angegossen wird. Nicht minder elaboriert sind der durchsichtige Froschschenkel oder das Seeigelsoufflé mit Braunbierpulver. Und nach einem mit Spargelscheiben gespickten Zander in Bärlauchgelee kann ein „Le Cristallin“ folgen, das Zitronensorbet mit frischer Petersilie als Nachempfindung eines Brautschleiers erscheinen lässt. Damit ist der frühere Mitarbeiter der Dreisterneköche Gagnaire und Alléno in Paris sowie Murata in Kyoto und Passédat in Marseille für den Figaro „einer der inspirierendsten Designer der Gegenwart“ und für die Kenner von Food & Sens in Montpellier „angesagtester kulinarischen Kreateur unserer Zeit“. Jetzt fehlt ihm bloß noch die Einsicht des Michelin

TANTOT: „MIT 30 EIN GANZ GROSSER“

Fotos: Auberge de La Bonne Idée in Saint-Jean-aux-Bois