„Der Weinbau von Ningxia ist ein Mikrokosmos des chinesischen Weinbaus. Dies hier zu kennen heißt, den chinesischen Weinbau zu kennen,“ lobte Staatspräsident Xi Jinping 2020 bei der Visite des Weinguts von Zhang Yanzhi und verkündete dann: „Zu gegebener Zeit, vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren, wird chinesischer Wein die Welt in Erstaunen versetzen.“ Das Wort es Besuchers, dem auch die Anrede „Überragender Führer“ gebührt, steht nun schwarz graviert auf weißer Wand im Eingang des Ningxia Xige Estate – und ist was wert: Wer in der trostlosen Provinz im Norden Chinas, die früher von der Kohle abhängig war und künftig vom Wein und Ökotourismus leben soll, ein Weingut aufmacht, bekommt Kohle vom Staat. Er zahlt Straßenanschluss, Strom und Wasser (inklusive des Bewässerungssystems für die Rebflächen). Im Juli letzten Jahres wurde sie erste Pilotzone für die Trauben- und Weinindustrie mit dem Ziel, die Region zum Bordeaux Chinas zu machen. Derzeit sind in Ningxia, das etwas mehr Rebfläche als Burgund bietet, 112 Weingüter im Bau.

116 gibt’s schon. Seit 1982 wird Weinbau betrieben, der seine Trauben 20 Jahre lang an Winzer weiterentwickelter chinesischer Regionen verkaufte. Erst in den späten 1990er Jahren begann im 150 km langen Tal des Gelben Flusses auch die Weinproduktion – im typischen Tempo des Landes. 2003 wurde Helan Mountain, eine Unterregion von Ningxia, Chinas erste offizielle Appellation. 2010 erreichten ein Cabernet, ein Chardonnay und ein Riesling des Weinguts Helan Qing Xue bei den Decanter World Wine Awards in London internationales Aufsehen erregende Erfolge. 2012 lud die Provinzregierung 7 Winzer aus der etablierten Weinwelt zur Beratung; der Franzose Benoît Beigner, Önologe und Agraringenieur, empfahl dem Château Bacchus, das Beschneidungssystem der Rebstöcke von vertikal auf horizontal umzustellen, um die Trauben aus dem Schatten zu holen und besser reifen zu lassen, und begründete die mittlerweile in der Gegend allgemein übliche Praxis, im Winter 30 cm Erde aufzuhäufen, um die Reben gegen Temperaturen bis -25° zu schützen.

Die ansonsten günstigen Bedingungen – reichlich Sonnenschein, kühle und luftige Nächte, saubere Luft mangels Industrie – lockten die unterschiedlichsten Interessenten aus dem In- und Ausland: Privatleute aus China und aller Weinwelt, Konzerne wie Pernod Ricard und China Petroleum & Chemical, Lenz Moser aus der Wachau und Moët & Chandon aus Épernay, dessen Demi-Sec mit 45 Gramm Zucker sich in China am besten verkauft. Umtriebigster Winzer ist der Inhaber der Ho-Lan Soul Winery, der in Lebensmitteln und Immobilien erfolgreiche Unternehmer Chen Deqi. Als größter Produzent will er zur staatlich gewünschten Förderung des Weintourismus mit einem riesigen Themenpark inklusive Hotellerie und Gastronomie beitragen und plant außerdem 200 villenartige Winerys, deren Besitzer nach Gutsherrenart selbst Wein abfüllen und ihren Namen aufs Flaschenetikett drucken können.

DIE HO-LAN SOUL WINERY DER ZUKUNFT

Solche Aktivitäten kommen für den chinesischen Weinmarkt gerade recht. Denn der Konsum sank in den ersten 7 Monaten dieses Jahres – vor allem wegen der Pekinger Null-Covid-Politik – mengenmäßig um 27 % und wertmäßig um 7 %. Zudem beobachtet der Handel betrübt, dass die Freude am Wein auf die Besserverdiener der großen urbanen Zentren und die Konsumenten ab 40 begrenzt bleibt. Bier hingegen, vor allem Craft-Biere, sowie Whisky werden beliebter, so dass in Peking schon Wein- in Whiskybars umgewandelt werden.

Foto: Belt and Road Forum for International Cooperation / Ho-Lan Soul Winery