Als Newton-Chef Jean-Baptiste Rivail anfangs dieser Woche mit seinen Leuten die Terrassenlagen im Spring Mountain hinaufstieg, um zu schauen, was die verheerenden Brände übriggelassen hatten, floss ihnen der eigene Traubensaft entgegen – 210 $ pro Flasche. Er strömte aus Bottichen und Fässern der neuen Produktionsanlage. Sie war ebenso Opfer der Flammen wie das jüngst restaurierte Wahrzeichen des 1977 von Dr. Su Hua und Peter Newton gegründeten Weinguts: die chinesische Pagode im noblen englischen Garten. Newton Vineyard, das mittlerweile zum Luxuskonzern LVHM gehört (Louis Vuitton, Moët Hennessy, Hermès, Yquem, Dior, Tiffany etc.), ist US-Pionier ungefilterter Weine.

Rivail war fassungslos: „Alles ist weg, es ist alles weg.“ Er beklagte die versickerte Lese eines schwierigen Jahrgangs. Nach Dürre, Gluthitze und dem Rauchdunst nordkalifornischer Brände war 2020 „jeder Tropfen Wein wie ein Wunder, sehr hart erarbeitet“. Als Trost bleiben ihm die Trauben der Newton-Weinberge an den Hügeln von Carneros und am Mount Veeder.

Der Kollege von Cain Vineyard and Winery verlor den gesamten Wein seiner Jahrgänge 2019 und 2020 sowie das Wohnhaus. Das einer mittelalterlichen toskanischen Burg nachempfundene Castello di Amoroso büßte 10 000 Kisten seiner Weine im Wert von 5 Mio $ ein. Weitere zwei Dutzend Winzer wie Barnett Family Vineyards, Behrens Family, Bergman Family Winery, Burgess Cellars, Fairwinds Estate, Fisher Vineyards, Hourglass Winery, Hunnicutt Wines, Merus Wines, Paloma Vineyard, Spring Mountain Vineyard, Sherwin Family Vineyards, Sterling Vineyards und Tuck Beckstoffer Estate sichten noch ihre Schäden in den Weinbergen, an den alternden Weinen sowie der ebenso empfindlichen wie teuren Technik  in den Kellern und auf ihren durchweg sehr herausgeputzten, werbewirksamen Anwesen.

Die Feuerbrunst erreichte am letzten Septembersonntag um 3.48 Uhr im Deer Park östlich von St. Helena nahe der Glass Mountain Road die Napa Valley-Weinwelt. Es zerstörte Burgess Cellars und das Drei-Sterne-Restaurant Meadowood völlig, Chateau Boswell sowie Weinberge in Viader und Failla teilweise. Dann drehte sich der Wind und wehte die Flammen nach Westen. Sie ruinierten 300 Häuser und 935 Betriebsgebäude sowie 27.114 Hektar Weinberge und lassen befürchten, dass bis zu 80% der Cabernet Sauvignon-Trauben des Napa Valley durch Feuer und Rauch hinüber sind.

Vom Süden St. Helenas bis zum Norden Calistogas sieht kaum noch etwas nach Wein aus, sondern fast alles nach Holzkohle. Wenn sonst was zu erkennen ist, dann dies: Reben sind einigermaßen widerstandsfähig gegen Feuer, Be- und Entwässerungsanlagen in den Weinbergen (vor allem Schläuche) können wie Brandbeschleuniger wirken.

Für Cain-Chef Chris Howell liegt nun im Wein auch diese Wahrheit: „Feuer ist kein guter Teil der Natur, aber es ist ein Teil der Natur. Niemand sagte, die Natur ist gütig.“ Gottlob forderte sie im Napa Valley kein Menschenleben. „Ich schreibe dies den Feuerwehrleuten zu, die einen tollen Job machten“, dankte Frank Dotzler von Outpost Wines. Sie hatte u.a. 215 Weingüter auf die Evakuierung vorbereitet. Die Schadensermittlung wird noch lange dauern. Wie sehr beispielsweise die Weinlese (die 2019 Trauben Wert von 1 Milliarde $ erbrachte) beeinträchtigt ist, hängt auch von den Rauchschäden ab. Den wachsartigen Schalen der Trauben können selbst Rauch und Ruß eines relativ weit entfernten Feuers anhaften und den künftigen Wein nach Aschenbecher riechen und schmecken lassen. Solche Rauchflecken lassen sich bei Laboruntersuchungen feststellen, doch die Labore brauchen noch Wochen, um alle Probenaufträge der Winzer und Weingüter abzuarbeiten. Wird das Probenergebnis nicht abgewartet und später ein Makel im Wein festgestellt, zahlen nur wenige Versicherungen. Noch offen ist ebenfalls, wie sehr Stromausfälle das Kühlen der Weintanks und dadurch die Vinifikation beeinträchtigten. Hinfällig sind auch satte Nebeneinkünfte der Weingüter. Deren touristische Besucher geben laut Visit Napa Valley gut 2 Milliarden $ pro Jahr aus – die meisten wären traditionell in diesen Tagen gekommen, um im sonst goldenen Herbst die Weinlese mitzuerleben.