Jérôme Bocuse, 1987 von Frankreichs bekanntestem Koch adoptiert, will vom L’Institut Paul Bocuse, das in Frankreich als Schule der kulinarischen Exzellenz gilt, Geld für die Nutzung des Namens. Die international renommierte Institution in Ecully bei Lyon, die 1000 Studenten aus 55 Ländern zu Jahresgebühren von 12.000 bis 15.000 € für Führungsaufgaben in Gastronomie oder Hotellerie ausbildet, beteuert in der bereits 3 Jahre währenden Auseinandersetzung mit dem Erben, kein Geld für seine Forderung zu haben. Nun kommt es nach erfolglosen Schlichtungsversuchen 2023 zum Prozess, und das erregt die Gemüter in der konsensbewussten Heimat des verehrten Verblichenen. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so weit käme“, seufzt der grüne Bürgermeister Sébastien Michel, „denn wenn in und um Lyon Themen von großem allgemeinem Interesse sind, finden wir einen Kompromiss.“ Und Laurent Wauquiez, Präsident der Region Auvergne-Rhône-Alpes mit Erfahrungen als Minister und Parteichef (Les Républicains), fürchtet „eine Schlammschlacht“.

Jérôme Bocuse hat bei seiner Forderung vermutlich eher seine Geschäftstüchtigkeit und die Familienverhältnisse im Sinn. In Sachen Paul Bocuse mitzureden, fühlen sich ziemlich viele Hinterbliebene berufen. Denn der polygame Koch lebte ganz offiziell mit 3 Frauen; verheiratet mit Raymonde Duvert (eine Tochter, Françoise, 75; 3 Enkelkinder), liiert mit Raymone Carlut (deren Sohn Jérôme der Koch adoptierte) und Patricia Zizza, die mit ihm die Société des Produits Paul Bocuse gründete und deren Tochter Ève-Marie sich als Journalistin und Buchautorin dem Nachruhm verpflichtet fühlt. (En passant: In Lyon wird das Gerücht geglaubt, dass Paul Bocuse insgesamt 7 Frauen beglückte, u.a. auch mit Eigentumswohnungen, zu deren Türen der Generalschlüssel seines Restaurants passte.) In dieser privaten Gemengelage dürfte Jérôme mit seiner Instituts-Auseinandersetzung auch demonstrieren wollen, wer im Namen Bocuse auftritt und das letzte Wort hat – nämlich er, bereits Chef der Groupe Bocuse mit 8 Restaurants und Brasserien, dem Pavillon Français in der Disney World (Jahresumsatz bis zu 38 Mio $) und allerlei Aktivitäten vom Bocuse Original Comptoir bis zum internationalen Nachwuchskochwettbewerb Bocuse d’or.

Der im Alter von 18 Jahren adoptierte Jérôme ist in den USA für die Gastronomie und deren Management ausgebildet und vollkommen vom amerikanischen Geschäftssinn geprägt. Für ihn kann es nur selbstverständlich sein, dass das L’Institut Paul Bocuse für die Nutzung des Namens eine Lizenzgebühr zu zahlen hat. Auf die Idee ist vor ihm in Frankreich niemand gekommen. Vater Paul gründete 1990 auf Wunsch des damaligen französischen Kulturministers Jack Lang unter Übernahme der Ehrenpräsident die École supérieure des arts culinaires et de l‘hôtellerie d’Écully. 1998 wurde er gemeinsam mit Gérard Pélisson, dem CEO der (französischen) Accor-Hotelgruppe, Vorstandsvorsitzender, seit 2002 heißt die gemeinnützige Einrichtung L’Institut Paul Bocuse und diesen Namen soll es laut schriftlicher Vereinbarung der beiden Herren auch bis 2037 führen dürfen. Doch es bietet nicht nur international anerkannte Bachelor- und Masterabschlüsse, sondern betreibt auch allerlei einträgliche Nebenaktivitäten, die laut dem weiterhin in Florida lebenden und sechsmal im Jahr nach Lyon kommenden Jérôme „die von meinem Vater vertretenen Werte verraten“. Als Beispiel nennt er die Entwicklung eines Bocuse-Menüs für die Air France. Die bislang nicht bekanntgewordene Lizenzgebührenforderung dürfte so zwischen 200.000 und 600.000 € p.a. liegen. Führt die Justizentscheidung dazu, dass das Institut künftig anders heißt, würde dessen Absolventen dann der prestigereiche Name Paul Bocuse im Diplom fehlen – und ihrer teuren Schule im Briefkopf…

Foto: Courtesy Restaurant Paul Bocuse