Dass sie auch alles, was sich mehr als lohnt, nahezu perfektionistisch nachempfinden können, bewiesen die Chinesen auch schon der feinschmeckenden Welt. Bei Kaviar und Austern ebenso wie bei schwarzen und weißen Trüffeln. Nun drängen sie als begnadete Züchter mit einem weiteren luxuriösen Produkt auf den Markt der Gourmets: Animiert vom Erfolg des gehypten Jamón Ibérico de Bellota aus der westandalusischen Kleinstadt Jabugo präsentieren sie Jinhua-Schinken aus der Provinz Zhejiang, südlich von Schanghai.

Den ersten großen Auftritt bereitete ihm letzte Woche der in 20 Ländern empfangbare Channel NewsAsia (CNA) aus Singapur, als er aus dem Lifestyle berichtete, wie Premiumprodukte aus China „gehobene Restaurants auf dem gesamten Kontinent prägen“. Dabei bereicherte der Schinken modische Gerichte wie Schneegans mit Fish Maw und Bambussprossen oder Winterrettich mit Cordyceps-Pilzen und knusprigen Algen. Bislang diente der Schinken in Restaurantküchen daheim oder bei Auslandschinesen wie Corey Lee in San Francisco fast nur als Aromat in der Brühe für die geschmacklosen, aber wegen ihrer gallertartigen Konsistenz geschätzten Haifischflossen.

Fürs Storytelling im Marketing haben die Promoter aus Jinhua reichlich zu bieten: Von ihren Meishan-Schweinen mit den schwarzen Borsten am Kopf und auf dem hinteren Rücken stammen die kulinarisch wohlgelittenen Pata negras in Spanien und die Schwäbisch-Hällischen in Deutschland ab. Zur Entdeckung ihres besonderen Schinkens besage die Legende, dass einst hungrige Dorfbewohner nach einem Hochwasser verendete Schweine fanden, die mit Meersalz und Sand bedeckt und nicht nur noch genießbar, sondern sogar von hervorragendem Geschmack waren. Die daraus gewonnene, noch heute übliche Herstellungsmethode gehe auf den in Jinhua geborenen Marschall Zhongze zurück, der damit seine Soldaten verproviantierte und den angetanen Kaiser Song Gaozong in Peking inspirierte, die Viktualie „Huotui“ (feuerroter Schinken) zu nennen.

Doch Küchenchef Menex Cheung vom „China Tang“ in Hongkong findet die Farbe viel heller als die des Ibérico-Schinkens, aber das Fett konzentrierter. Er werde auch hauptsächlich nicht roh gegessen, sondern gekocht, da das Aroma und die Umami nach dem Erhitzen ausgeprägter und noch eleganter seien. Das erstaunlichste öffentliche Geschmacksurteil des noch desinteressierten Europas fand bisher der FAZ-Gastrojournalist Jakob Strobel y Serra in seinem Artikel „Woher kommt der beste Schinken der Welt?“: „Dem Vernehmen nach soll der Geschmack des Jinhua stark an Jamón Ibérico de Bellota erinnern.“

Bis sie ihn genießen können, bleibt den Europäern die Muße, beim Kauf von Spaniens Stolz auf verlässliche Herkunfts- und Qualitätsangaben zu achten, denn nach einer Dokumentation im 2. Programm des spanischen Fernsehens stammen mehr als 80 % des „Jamón Ibérico“ etikettierten Schinkens, der für die FAZ die „Königskrone des Schinkenreichs“ trägt, nicht von freilaufenden, Eicheln-fressenden schwarzen Schweinen, sondern aus Massentierhaltung. Ein untrügliches Qualitätsmerkmal: Wenn die mit bloßen Händen gegessenen Scheiben keine fettigen Finger machen.

Foto: german.china.org.gn