Lange tischte man nur Käse und Cracker auf, nun gibt’s frischen Krabbensalat und glasierten Schweinebauch mit geröstetem Radicchio und Eisweinessig: Dutzende Weingüter im Napa Valley und Sonoma County bieten zu ihren Weißen und Roten gehobene bis große Küche – kulinarische Pairings wie in den besten Restaurants, aber ohne deren Preise. Das Konzept drängte Corona den Winzern auf, als der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom verfügte, dass Alkoholbetriebe, also auch die Weinkellereien, nur betrieben werden dürfen, wenn sie Speisen servierten. Die Gutsherren erkannten die generelle Chance, Spitzenköche mit besseren Arbeitsbedingungen aus den renommiertesten Restaurants zu locken. Und der Service kam scharenweise mit – auch ihn reizten angenehmere Arbeitszeiten und weniger Stress.

Typisches Beispiel ist Sarah Heller, die im Dreisterne-Restaurant at Meadowood mindestens 12-Stunden-Tage hatte und nun als Küchenchefin der Staglin Family Vineyards „normale Stunden“ in einer „gesünderen Umgebung“ arbeitet und ihre Tochter „mit Abendessen füttern, baden und ins Bett zu bringen kann“. Auch andere Talente aus Meadowood und aus Thomas Kellers French Laundry, ebenfalls drei Sterne, gingen in die Weinberge. Multigastronom Masaharu Morimoto, von Disneyworld bis Manhattan mit Asia-Fusionsküche erfolgreich, verlor seinen Napa-Statthalter Sean Massey nach über 10 Jahren an die Darioush Winery in Napa, da „Covid die extreme Zerbrechlichkeit der Branche aufzeigte, der ich mein Leben so lange gewidmet hatte. Darioush gibt mir Stabilität und ein Gefühl der Sicherheit, das ich in der Restaurantwelt selten spürte.“ Außerdem habe er durch den Wechsel von einer „kleinen Armee mit 55 Mann“ zu einer „5-Mann-Band“ ungleich weniger Stress. Josh Mitchell erfreut sich bei Theorem Vineyards in Calistoga seines 8-Stunden-Tags und des Wegfalls „der verrückten Stoßzeiten, in denen du 120 Gedecke in 60 Minuten machst“.

Zu den Auswirkungen der Jobwechsel zitierte der San Francisco Chronicle u.a. Clint Huntsman von Hamel Family Vineyards in Sonoma: „Das Essen und die Schaffung eines intensiveren Geschmackserlebnisses führen oft zu höheren Weinverkäufen. Sie sind auch ein großartiges Werkzeug für den Verkauf jüngerer Weine, denn sie mildern die hohen Tannine in jungen Rotweinen wie Cabernet.“ Und Alessandra Murillo, Marketingdirektorin von Darioush, bestätigt: „Wir erleben einen Anstieg der Einnahmen pro Besucher.“

Die Köche im Weinberg, die zumeist keinerlei finanzielle Einbußen gegenüber ihren früheren Jobs haben, müssen allerdings mit zwei Handicaps fertig werden. Egal wie gut sie kochen, der Wein hat mehr Rampenlicht – doch Massey und Mitchell erwarten, dass sie und ihre Kollegen „im Michelin und anderswo die gleiche Anerkennung wie zuvor finden“. Das zweite Problem: Die Behörden schreiben vor, dass der Essensservice die Weinprobe nicht dominieren und nicht à la carte angeboten werden darf. Weingüter sollen nicht als Restaurant fungieren und denen Konkurrenz machen. Es gibt schon amtliche Razzien und kreatives Suchen der Weingüter nach Schlupflöchern.

Foto: wheelersfarmswine.com