„Was verbindet die Spitzenköche Eckart Witzigmann und Johann Lafer“, fragt der PR-Text zum Buch der beiden und antwortet gleich selbst: „Natürlich die Liebe zum Kochen, zum Genuss und zu exzellenten kulinarischen Kreationen. Was aber kaum jemand weiß: Als der damals zwanzigjährige Jungkoch Lafer beim großen Witzigmann eine seiner ersten Stellen antrat, begann auch die besondere Freundschaft der beiden Männer.“ Lafer war zwar schon 24, dürfte aber den damaligen Beginn der wunderbaren Beziehung ebenso wenig mitbekommen haben wie Witzigmann. Dubios ist auch die nächste PR-Behauptung: „In ihrem ersten gemeinsamen Kochbuch sind die besten Rezepte dieser besonderen Lehrer-Schüler-Beziehung versammelt.“

In der bisher bekannten Witzigmann-Literatur sind nur Köche als Schüler des großen Meisters anerkannt, die mindestens zwei Jahre bei ihm am Herd standen. Lafer aber, der nach der Kochlehre im Gösser-Bräu in Graz und dem Wehrdienst im österreichischen Bundesheer zwei Jahre im Berliner Hotel Schweizer Hof arbeitete, kam nach kurzen Stationen im Hamburger Le Canard (1979) und in den damals schon legendären Schweizer Stuben in Wertheim-Bettingen (1980) Ende 1981 als Pâtissier zu Witzigmann. Er blieb nicht mal ein Jährchen in dessen Aubergine, denn schon 1982 ließ er sich von dem Pariser Gastronomen Gaston Lenôtre, der ein begnadeter Pâtissier und Bäcker war, den sprichwörtlichen Floh ins Ohr setzen, künftig die ganz groß inszenierte Lenôtre-Filiale im seinerzeit in Berlin weltberühmten Kaufhaus des Westens (KaDeWe) zu leiten. Doch das zerschlug sich nach ein paar Lafer-Monaten bei Lenôtre in Paris; stattdessen trat er im Mai 1983 als Küchenchef im Restaurant Le Val d‘Or in Guldental an der Nahe an. Mit großen Erfolgen: Dessen Patronne, die ehemalige Naheweinkönigin Silvia Buchholz (1976/78), wurde seine Frau und Lafer machte sich ab 1984 als Fernsehkoch bekannt – so bekannt, dass ihn Witzigmann irgendwann auch als seinen Schüler sah.

Zur besonderen Freundschaft und Berufsbeziehung zwischen den beiden österreichischen Köchen gibt es zwei öffentliche Bekundungen. 2011 antwortete Witzigmann in einem Spiegel-Interview auf die Frage, ob Lafer ein guter Schüler war: „Ja, sehr engagiert. Und ein guter Torwart. Meistens.“ Dieses meistens bezog sich darauf, dass Lafer bei einem Spiel der Köche des fußballbegeisterten Witzigmann gegen das Tantris „zwei saudumme Treffer kassiert“ habe. 2001 versammelten sich am 4. Juli anlässlich eines rauschenden Festes zu Witzigmanns 60. Geburtstag fünf Dutzend seiner Schüler in strahlend weißen Kochjacken auf den Stufen der Münchner Staatsoper zum Gruppenbild um ihren Meister. Während des gesamten, sich hinziehenden Foto-Procederes bot Lafer den Zuschauern auf dem belebten Platz an der Maximilianstraße ein besonderes Schauspiel: Er stand am oberen rechten Gruppenrand in drei Meter Abstand von den Kollegen und dem Trash-TV gestenreich Rede und Antwort. Diesen abseitigen Auftritt erklärte er aus existenzieller Sorge: Der Geburtstag verursache ihm Kosten und die müsse er ja irgendwie wieder reinholen.

Hoffentlich gelingt’s ihm spätestens jetzt mit dem neuen Buch. Denn das kam bis Weihnachten auf Platz 28 der bestverkauften Kochbücher in Deutschland. Nur zwei deutsche Köche waren mit ihren ebenfalls im Herbst erschienenen Titeln erfolgreicher; als 24. Alfons Schuhbeck mit „Servus Österreich“ und als 26. Christian Henze mit „Schlank geht auch anders.“ Um diese Platzierungen gebührend einzuschätzen, muss man beispielsweise das von den Redaktionen der Zeit und der Süddeutschen gewiss richtig eingeschätzte Käuferinteresse kennen: In deren Empfehlungen der „wirklich lohnenden“ und „besten“ Titel der letzten Zeit findet sich keiner der ersten 100 Köche von der deutschen Restaurant-Rangliste, sondern stehen die Rezepte von Yotam Ottolenghi, Katharina Seiser oder Joshua McFadden.

Zum Trost bleibt Lafer und Witzigmann mit ihren 100 Rezepten „aus insgesamt 100 Jahren Küchenerfahrung, auf die beide gemeinsam zurückblicken können“, dass ihnen die TV-Studios zur Vermarktung offenstehen. Immer wenn dort Lafer erscheint, erreichen Moderatoren der öffentlich- rechtlichen Anstalten die Bestform des grassierenden „wenig Wissen, viel Meinung“-Sendungsbewusstseins – vom NDR in Hamburg, für den Lafer „alles erreicht hat, was ein Koch nur erreichen kann“, bis zum BR in München, für den er zu den „Allergrößten“ gehört. Bei all dem Schwadronieren fällt den Fernsehschaffenden – zum Beispiel in der BR-Bühne für das Buch der beiden angeblichen Freunde – gar nicht auf, dass Witzigmann von „dem Herrn Lafer“ spricht und nur der das Du für Ecki über die beflissenen Lippen bringt.

Mit diesem Co-Autor hat sich Witzigmann in seiner Buchproduktion der letzten Jahrzehnte zumindest in der Partnerbeziehung kulinarisch hochgearbeitet. Zwar steht er auch hier auf dem Titel hinter Lafer, gewiss wegen des Alphabets, aber der ist wenigstens ehemaliger Sternekoch, wohingegen die Autorenzeilen der letzten großen Œuvres dem Rang eines „Kochs des Jahrhunderts“ nicht gerade schmeichelten: Mälzer & Witzigmann bzw. von Alfred Biolek und Eckart Witzigmann. Biolek hatte nichts gegen den Zusammenhang mit Maggi, Mälzer gibt als Koch mit Abitur gern den Küchenbullen. Doch wie sehr schmückt ihn nun ein Koch, über den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung zu dessen Glanzzeiten druckte: „Johann Lafer beeindruckt sein Publikum ganzjährig mit jenem österreichischen Charme, auf den deutsche Frauen sonst nur im Winter bei Skilehrern abfahren können. Er ist am TV-Herd auch stets so professionell vorbereitet und reaktionsschnell wie Skilehrer bei der Hasenjagd. Trotzdem merkt man seinen Gerichten nicht an, dass er sich für Deutschlands bekanntesten und werbewirksamsten Koch hält. Denn was der in seinen beiden Restaurants in Stromberg bei Bingen mit allen Tafelwassern seines Metiers gewaschene Sternekoch vor Kameras fachlich untadelig zubereitet, fehlt das gewisse Etwas, was gute von Großer Küche unterscheidet.“

Die gewiss unvermeidliche zweite verbesserte Ausgabe des Kochbuchs können dessen PR-Promoter mit einer CD voller Tafelmusik bereichern und dabei mit weiterer plausibler Pärchenbildung glänzen: Hansi Hinterseer und Jonas Kaufmann oder Helene Fischer und Anna Netrebko. Die Herren kennen sich aus Carmen-Nebel-Sendungen, die Damen haben schon in Salzburg, München und Berlin gesungen.
Illustration: Gräfe und Unzer Verlag