Die Grande Nation bleibt auch dann die Hochburg der escargots gratinés und der grenouilles sautées, wenn 90 bis 95 % der Schnecken und 98 % der Frösche importiert werden; die Kriechtiere vorwiegend aus Osteuropa, die frischen Frösche aus der Türkei und Ägypten, die gefrorenen aus China und Indonesien. Die nur noch in wenigen Restaurants servierbaren französischen Schenkel kommen aus dem provenzalischen Städtchen Pierrelatte, gezüchtet in den Bassinkellern von Gewächshäusern, die etwa gleich weit entfernt von einer Krokodilfarm und einem Atomkraftwerk stehen.

Das Wasser aus den Kühlsystemen der vier Tricastin-Reaktoren bietet Frankreichs größtem und einzigem bemerkenswerten Froschzüchter das ganze Jahr über jene 23 bis 25°, in denen seine ca. 150.000 Amphibien am liebsten quaken – ohrenbetäubend die Männchen im Frühling. Auf diese Geschäftsidee kam der Fischhändler Patrice François 1999 aus Verdruss über seinen Handel mit importierten Fröschen: Im Winter ärgerten ihn Liefer- und Preisprobleme, weil es in der Türkei zu kalt für frische Frösche wurde, ganzjährig nervten ihn Klagen über die Geschmacksarmut der Tiefkühlware. Erst nach 11 Jahren hatte er alle bürokratischen Hürden genommen, die sich nicht nur auftürmten, weil Frankreich 1980 den kommerziellen Wildfang untersagt hatte.

Als zuchtgeeigneter Frosch bot sich ihm nur die Sorte Rivan 92 der grünen Froschart Pelophylax ridibunda, deren Ernährung der Forschungsdirektor in der Abteilung Aquatische Ökologie des Institut national de la recherche agronomique (INRA) in Rennes, André Neveu, 1992 umstellen konnte: von der Gewohnheit, nur das zu fressen, was sich bewegt (vor allem Insekten), auf Träges wie Fischmehl. François erhielt vom INRA 2500 Zuchttierchen und bekam es hin, dass aus 10 % der Eier nach einem Jahr essbare Frösche erwachsen (in der freien Natur überleben nur 0,2 % ihre Feinde und den arteigenen Kannibalismus).

Trotzdem reicht seine Ware nicht für alle Interessenten. Wer sie bekommt, wie das Restaurant Bocuse oder die Dreisternehäuser Blanc und Pic, lobt die Frösche im Gegensatz zu Importen „als fleischiger und fester, sie haben Biss und bleiben dabei zart“. Diese Eigenschaften werden in Frankreich seit dem 12. Jahrhundert geschätzt: Mönche, denen während der Fastenzeit Fleisch verboten war, fanden, dass die Frösche den erlaubten Fischen näherstanden. Einen weiteren Verwendungszweck notierte der Gourmet und Schriftsteller Alexandre Dumas (Die drei Musketiere, Der Graf von Monte Christo) 1871 in seinem Grand Dictionnaire de Cuisine: Er empfahl, sie in einem Frikassee oder, noch besser, in einer Suppe zu essen, einem sehr gesunden Gericht, das „einige Damen verwenden, um die Frische ihres Teints zu erhalten“.

Um angenehm schwarze Zahlen zu erhalten, will François seine 2.500 m² messenden Bassins verdoppeln. Außerdem frustriert ihn, „jede Woche Kunden abweisen zu müssen, darunter auch Sterneköche“. Sie alle wollen diese „Ikone der französischen Küche“, deren Zeitgenossen aus dem warmen Kühlwasser der Atomreaktoren „im Geschmack unvergleichlich sind“, wie Le Monde meldet.

Foto: poissonnerie-francois.fr