Ya‘akov Oriya, geachtetster Winzer in der Wüste Negev, und manche seiner 20 Kollegen bekamen in den letzten Wochen hohen Besuch, durch den sie sich in normalen Zeiten sehr geehrt gefühlt hätten: Weingutsherren aus dem Bordelais reisten an und fragten um Rat. Den suchten sie nicht in Qualitäts- und Geschmacksfragen, sondern um sich nach der Dürre ihres Sommers und für die weitere Klimaerwärmung zu wappnen. Voller Stolz führen ihnen die an 40° im ganzjährigen Sonnenschein und 0,66 mm Regen im Monat für ihre mageren Böden gewöhnten Wüstenwinzer ihre Mikrobewässerung vor. 

Dieses Ressourcen schonende und Wasser langsam auf die Rebenwurzeln tropfen lassende System wurde von dem aus Polen stammenden Ingenieur Simcha Blass (der es 1948 zum Direktor der staatlichen Wasserinstitutionen in Israel brachte) mit seinem Sohn Yeshayahu entwickelt und 1959 vorgestellt: ein simpler Plastikschlauch mit vielen kleinen Löchern, aus denen zwischen 3 und 5 Liter pro Stunde kamen. Es konnte erst 1965 kommerzialisiert werden, als Blass sen. im Kibbuz Hatzerim die Firma Netafim mitgegründete, heute mit 50 % Marktanteil die umsatzstärkste Produzentin künstlicher Bewässerungssysteme auf Erden. Die könnten bald im gesamten Mittelmeerraum eingesetzt werden, wenn sich die Alarmstimmung der Bordeaux-Winzer nach dem außergewöhnlich trockenen und heißen Sommer weiter ausbreitet.

Schon vor der Blass-Erfindung wurde in dem extremen Wüstenklima Weinbau betrieben – seit etwa 3000 Jahren. Zuerst waren die Nabatäer, dann die Byzantiner darin Meister, das wenige Regenwasser zu kanalisieren, und Weine zu erzeugen, die bis zu den antiken Kulturvölkern geliefert wurden. Mittlerweile werden auf 360 Hektar (die Rebfläche im fränkischen Iphofen oder der Cantina Tramin in Südtirol) die Vorteile des Terroirs genutzt: Große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht fördern die Reifung, die Trockenheit verhindert Fäulnis und Schädlinge fast vollständig, sehr kalte Winternächte stärken die Reben, meist Grenache und Chenin. Die Natur ermöglicht bei frühzeitiger Ernte sehr würzige Weine, die Winzer müssen sie elegant, komplex und alterungsfähig werden lassen.

Bisheriger Meister darin ist der Winzer, Önologe und Berater mehrerer Weingüter Ya‘akov Oriya. Als Kind mit seinen ultraorthodoxen Eltern aus New York eingewandert, belegte der weinfreudige Bauingenieur 2003 einen vinologischen Anfängerkurs, pachtete 2004 seinen ersten Weinberg und erkannte, bevor es derzeitiges Mainstream-Denken wurde, die Vorzüge der Region für Weißwein. Für die nahe Zukunft prophezeit er Dessertweine und als Weltneuheit aus der Wüste einen Champagner.

Foto: Ya’acov Oryah Wines/David Silverman