Über Landwirtschaft, die Bio, Öko oder regenerativ ist, wird viel geschrieben, illustriert mit buntem Obst und Gemüse oder glücklich weidendem Vieh. Getreidefelder oder Körnerfotos sieht man nicht mal selten. Denn dieses Grundnahrungsmittel hat keinen, geschweige denn nachhaltigen Glamour. Den will ihm nun die Selfmade-Bäuerin Mai Nguyen angedeihen lassen und das ausgerechnet in einer Gegend, in der expandierende Winzer und eindrucksvolle Zweitwohnsitze das Ackerland knapp und teuer werden lassen: im nordkalifornischen Sonoma County, wo schon länger Weinbau herrscht als im südlichen Napa Valley und derzeit fast 500 Winzer mit ihren Weißen an Burgund und Roten an die Rhône erinnern. Landwirtin Nguyen, die einen Master in Geografie hat und sich an der Uni in Berkeley auch für Abfallwirtschaft interessierte hat, erntet ihre Aufmerksamkeit als „Farmer Mai“ durch das Einbringen des Getreides in den Zeitgeist.

Sie baut auf 50 Hektar in Sonoma alte Sorten wie Sonora an, die erste in der Neuen Welt gedeihende Weizensorte und einstmals Basis für die Tortillas in Mexiko. Unübersehbar ihr zwei Meter aufragender, Trockenheit gut trotzender Wit Wolkoring, der mehr Treibhausgase in ihrer Biomasse binden kann als kürzere Halme. Farmer Mai verachtet synthetische Düngemittel, Pestizide und gentechnisch verändertes Saatgut, setzt ganz auf organische, dürretolerante und bodenanreichernde, die Biodiversität fördernde Methoden, verwendet nur Regenwasser und betont vehement ihre Mitverantwortung fürs Ökosystem unseres Planeten.

Das macht Furore. Bis Los Angeles und San Diego kaufen stadtbekannte Bäcker ihr geschmack- und gehaltvolles Mehl (das Pfund fünfmal teurer als Supermarkt-Angebote) oder Brauereien und Destillerien ihren Roggen. Die nahegelegene Sebastopol‘s Spirit Works wird ihren neuesten Rye Whiskey mit dem „äußerst würzigen und reich fruchtigen“ Getreide und dem Local-first-Ethos bewerben. In ihrem Bemühen um „diversifizierte Landwirtschaft für ein vielfältiges Kalifornien“ sieht sie sich auch als „Aktivistin für soziale Gerechtigkeit“. Sie will die Moral jener Jahrhunderte ausmerzen, in denen nicht nur im Agrar-Amerika „Ureinwohner als Teil der Wildnis, die gerodet werden muss, Schwarze als Tiere, Latinx als Parasiten und Menschen asiatischer Abstammung als fremde Viren“ dargestellt wurden. Sie gründete die California Grain Campaign, die Kleinbauern helfen will, einen Markt für spezielle Getreidearten aufzubauen, sie unterstützt in der National Young Farmer‘s Coalition die Verbreitung der Nutzpflanzenvielfalt und die Aktivitäten, mehr junge Menschen – insbesondere Farbige – für die Landwirtschaft zu gewinnen.

Getrieben wird die Bäuerin mit vietnamesischen Vorfahren vom buddhistischen Prinzip der Verbundenheit: Die Art und Weise, wie sie ein Stück Land in Sebastopol behandle, habe einen direkten Einfluss auf das Universum von Tieren, Menschen, Pflanzen und Luft.

Foto: Courtesy Patagonia