Bei rotgefärbten Ostereiern wissen zumindest die meisten Christenmenschen, dass die Farbe an das Blut Jesu erinnern soll – und löffeln die Eier, sofern sie nicht zu den 1,4 bis 1,8 % der Deutschen gehören, die sich vegan ernähren, so lustvoll wie Tony Buddenbrook oder hartnäckig wie Loriots Knollennasenmännchen. Eier zu essen ist so selbstverständlich wie Milch zu trinken und niemand denkt dabei an das derzeit ebenso als kulinarische Nachhaltigkeit wie respektvolles Tierbild gehypte Konzept des „Nose to Tail“ in der zeitgemäßen Küche. Aber was wäre, wenn auf dem Esstisch mehr als die Eierschalenfarbe auf Blut deutete?

Denn das ebenso wie Filet und Fasanenbrust oder Eier und Milch zwischen Nose and Tail zu findende Blut schmeckt für die meisten Menschen nach Aversion oder Tabu, allenfalls bei einem Schlachtfest als auf der Speisekarte erwartbar. Weder die deutsche Blutwurst noch der französische Boudin noir, weder Schottlands Blood Pudding und Harris noch Südostasiens schwarzer Tofu und Bootsnudeln oder Skandinaviens Svartsoppa und Blodplattar erreichten globalen Delikatessenstatus. Auch die Blut-Macarons im „Mugaritz“ in San Sebastián, Heston Blumenthals Blutrisotto oder der mit Spiegeleiern bedeckte Blutkuchen im Nose to Tail-Eating bei dessen Erfinder Fergus Henderson (1994 in London) sowie der Chocoshot aus Schweineblut, Himbeerschokolade und Rosmarin des Steiermärker Chocolatiers Josef Zotter brachten es zur Weltgeltung auf Speisekarten oder Instagram. Nur die mit Blut gebundenen Saucen zum französischen Herbstklassiker Lièvre à la royale oder zum seit 1890 auf einer Schmuckpostkarte für jeden Gast durchnummerierten Service einer Ente aus der Presse im Pariser „Tour d’Argent“ machten den besonderen Saft salonfähig.

Mit keiner Arbeit erregte die von „Noma“-Chef René Redzepi geleitete Testküche Nordic Food Lab, die sich von fermentierten Heuschrecken bis Biber-Analdrüsen bemühte, so viel Kopfschütteln und Entsetzen wie mit dem Kochen auf Blutbasis. Nicht weil sie darüber arbeitete, dass und warum Blut wenig Hitze vertrage, schnell klumpe, sich nicht lange frisch halte und einen leicht metallischen, schwer gewöhnungsbedürftigen Nachgeschmack habe. Sondern eher deswegen, weil sie Brot, Muffin, Biskuit, Eis oder Pfannkuchen mit Blut machte und herausfand, dass Waldmeister, Nelken, gerösteter Koji, Kaffee und Kakao den metallischen Geschmack maskieren können. Oder ermittelten, dass es zwischen Eiern und Blut bei den Kocheigenschaften keinen Unterschied in der Textur gab, aber beim Schlagen von Eiweiß oder Blut (jeweils mit etwas Zucker) das Blut flexibler ist, kleinere Blasen aufweist und folglich stabileren und feineren Schaum ergibt.

Besonders zimperlich reagierte man auf diese 2017 veröffentlichten Ergebnisse in den USA, wodurch sich die Australierin Jennifer McLagan, die vor Jahren mit einem Buch über mehrheitlich unbeliebte Innereien aufgefallen war, herausgefordert fühlte, ein Werk über Gerichte mit frischem, geronnenem oder pulverisiertem Blut zu schreiben: 23 Rezepte auf 87 Seiten „Blood“, erschienen 2019 bei Good Egg in Toronto. Es blieb in den USA zunächst unbeachtet, bis es im Dezember von der Condé Nast-Tochter Bon Appétit auf eine Liste der bestens zu verschenkenden Kochbücher des Jahres 2020 kam und die Washington Post es ausführlich besprach. Um weiteren Erfolg macht sich die Autorin keine Sorgen: „Solange Tiere für das Essen der Amerikaner geschlachtet werden, bleibt Blut zurück.“ Pro Schwein beispielsweise zwischen 2,5 und 4,5 Liter, die derzeit allerdings noch als Schlachtabfall behandelt und häufig zu Fischfutter, Düngemittel, industriellen Fleischprodukten oder Zigarettenfiltern verarbeitet werden.

Foto: Courtesy Heston Blumenthal